Dr. Eisele & Dr. Volkering
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Diabetischer Fuß: Amputationen verhindern

Bedeutung von Fehlstellungen und Wunden

In Deutschland werden pro Jahr etwa 30 000 Amputationen wegen Komplikationen beim diabetischen Fuß vorgenommen. Die Gründe für eine Amputation liegen einerseits in Durchblutungsstörungen, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) und andererseits in der Polyneuropathie (PNP) (Schädigung der Nerven). Die Nervenschäden können zu chronischen Wunden, darüber zu Infektionen führen. Eine weitere Folge der Nervenstörung ist der sogenannte Charcotfuß. Die Behandlung der arteriellen Verschlusskrankheit obliegt den Angiologen und Gefäßchirurgen. Die Behandlung der Polyneuropathie und deren Folgen übernehmen u. a. die Diabetologen, orthopädische Schuhmacher, Neurologen, Infektiologen, Fußchirurgen. Die Komplikationen der PNP könnte heute in der überwiegenden Mehrzahl vermieden werden, sodass bei richtiger und konsequenter Behandlung Amputationen aufgrund der Nervenschadens nicht mehr vorgenommen werden müssten.

Abb.1: Infektion am Vorfuß

Verlauf der Polyneuropathie

Das Nervenleiden beginnt meist mit einer Verminderung der Empfindung, welche von den Patienten meist nicht bemerkt wird. Daneben kommt es zu einer Beeinträchtigung der Muskelfunktion, woraus  Fehlstellungen wie Krallen- bzw. Hammerzehen und Hallux valgus entstehen. Dadurch wird an typischen Stellen ein hoher Knochendruck auf die darüber liegende Haut hervorgerufen, der – anders als beim Nervengesunden – keine Beschwerden auslöst. An den Druckstellen können Wunden entstehen, die – obwohl schmerzlos – dennoch gefährlich sind, weil sie schwere Infektionen ermöglicht, die bisweilen  mit einer Amputation behandelt werden müssen.

Diagnostik bei Polyneuropathie

Jeder Diabetiker sollte darüber informiert sein, ob er eine Nervenstörung,  eine sogenannte Neuropathie hat. Die Untersuchungen dazu nehmen die Diabetologen, Neurologen und Hausärzte vor. Wenn außerdem Fehlstellungen, atypische Schwielen oder chronische Wunden auftreten, müssen diese sorgfältig registriert werden. Eine Rötung in der Umgebung der Wunde bedeutet eine Entzündung; diese ist ein Alarmzeichen.

Bei den Fehlstellungen prüft der Arzt, ob diese sich diese durch Fingerdruck ausgleichen lassen oder ob sie fixiert sind. Durch Röntgenaufnahmen erfolgt die Detailabklärung des Fußskeletts. Wenn eine Umgebungsentzündung vorliegt, werden die üblichen Labortests vorgenommen.

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Abb. 2: Ausgleich Krallenzehe

Konservative Therapie

Die Neuropathie wird durch Diabetologen und Neurologen behandelt. Bei geringen Fehlstellungen ohne Schwielen werden „diabetes-adaptierte Schuhe“ verordnet, die mit weitem Zehenraum und Weichpolstereinlagen ausgestattet sind. Bei Fehlstellungen und beginnender Ulzeration werden zusätzliche Maßnahmen wie die Sohlenversteifung oder eine Mittelfußpelotte veranlasst.

Bei chronischen Wunden wird zunächst mit einem Verbandsschuh, Vorfußentlastungsschuh, „Total contact Cast“ (Spezialgipsverband) oder Ähnlichem behandelt. Wunden, die trotz korrekter Behandlung nach 6 – 8 Wochen nicht zur Heilung gebracht werden können, sind Anlass, über eine operative Korrektur nachzudenken.

Operative Korrekturen / prophylaktische Operationen

Ziel einer Operation ist es, Knochendruck, der zu einer Wunde geführt hat, zu beseitigen. Für unkomplizierte Situationen und zur Prophylaxe von Fußulzerationen kommen die Operationstechniken in Betracht, die auch zur Korrektur am Vorfuß wie bei Hallux valgus oder Hammerzehen angewandt werden. Hier können Sehnen so durchtrennt werden, dass sich die Fehlstellungen ausgleichen (Minimalinvasive Therapie von Krallenzehen).  Wenn die Fehlstellungen fortgeschritten sind, ist es wie bei schweren Entzündungen erforderlich, Teile von Knochen zu entfernen z. B. die Köpfchen der Zehengrundglieder oder der Mittelfußknochen. Es gibt mittlerweile minimalinvasive Methoden, bei denen durch die Haut mit speziellen Fräsen Knochendruck entfernt werden können.

Abb. 3 Krallenzehenkorrektur durch Sehnendurchtrennung (Tenotomie)

Abb. 4 Krallenzehenkorrektur durch Entfernung der Zehen- und Mittelfußköpfchen

Infektionen am diabetisch neuropathischen Fuß (dnF)

Infektionen am diabetischen Fuß werden oft mit einer Amputation behandelt. Das ist in den Meisten Fällen nicht gerechtfertigt; denn, abgesehen von sehr schweren und ausgedehnten Infektionen, kann der Fuß durch alternative Maßnahmen erhalten werden.

Verlauf und Symptome

Infektionen beim diabetischen Fuß entstehen durch Einwandern von Bakterien in eine chronische Wunde (Ulkus). Sie führen zunächst zu einer Rötung in der Umgebung der Wunde. Anschließend kann sich die Entzündung auf den Knochen bzw. das Gelenk oder in den Weichteilen ausbreiten. Am Knochen führt sie zu einer Zerstörung von Gelenkanteilen bzw. zu einer Knochenentzündung (Osteomyelitis), an den Weichteilen zu Abszessen oder Phlegmonen, Formen der entzündlichen Gewebezerstörung. Auf diese Weise können massenhaft Bakterien in den Blutkreislauf gelangen und eine lebensbedrohliche Situation („Blutvergiftung“) hervorrufen. Die Bakterien können sich einerseits in Organen wie Leber, Herzklappen oder Gehirn ansiedeln, wo weitere Abszesse entstehen, oder der Kreislauf kann mit Bakterien überschwemmt werden, wodurch das gefährliche Krankheitsbild der Sepsis ausgelöst wird.

Abb. 5a: Fußulkus

Abb. 5b: Osteomyelitis Mittelfußköpfchen

Diagnostik

Jede Schwellung und Rötung, bisweilen auch Schmerzen, sind als Zeichen der Entzündung zu werten und entsprechend ernst zu nehmen. Eine sorgfältige ärztliche Untersuchung ist erforderlich, die neben dem Lokalbefund auch die Laborwerte und die Röntgenuntersuchung beinhaltet. Letztere gibt Auskunft über Fehlstellungen und Zerstörungen am Fußskelett. Wenn der Verdacht auf einen tiefen Abszess besteht, ist eine Magnetresonanztomographie angezeigt.

Therapie

Bei einer beginnenden Infektion, wenn noch kein Gewebeuntergang eingetreten ist, wird der Fuß konsequent entlastet und eine Antibiotikatherapie eingeleitet. Wenn die Entzündungszeichen darunter nicht zurück gehen oder wenn ein erheblicher Gewebeuntergang zu verzeichnen ist oder schwere allgemeine Entzündungszeichen vorliegen, muss der Infektionsherd frühzeitig operativ ausgeräumt werden. Je länger mit dem notwendigen Eingriff gewartet wird, desto größer ist der infektionsbedingte Schaden und umso mehr Anteile des Fußes müssen  entfernt werden.

Bei der Operation müssen alle Strukturen abgetragen werden, die im Rahmen der Infektion abgestorben sind. Spezielle chirurgische Erfahrung ist erforderlich, um die Schnitte so anzulegen, dass einerseits alle zu entfernenden Strukturen darzustellen sind, andererseits übermäßige Schäden durch den Eingriff aber vermieden werden.

Amputationen

Sind große Anteile des Gewebes abgestorben, kann eine teilweise oder vollständige Amputation notwendig werden. Die Entscheidung, ob und in welcher Form amputiert wird, sollte in Absprache zwischen Operateur und Internisten getroffen werden, die jeweils über spezielle Erfahrung mit diabetischen Füßen verfügen. Häufig kann auch in desolaten Situationen mit entsprechender Technik der Fuß zumindest teilweise erhalten werden.


Charcotfuß

Einleitung

Beim Charcotfuß handelt es sich um eine seltene,  unangenehme Sonderform des diabetischen Fußes. Es werden dabei einer oder mehrere Knochen des Fußes gewissermaßen „aufgeweicht“, sodass sie unter normaler Belastung einbrechen.

Verlauf

Der Charcotfuß durchläuft mehrere Stadien. Er beginnt mit einer Flüssigkeitsvermehrung (Ödem), was der Patient als Schwellung, teilweise auch als Rötung wahrnimmt. Trotz Schwellung und Rötung kann der Fuß wegen der Nervenschädigung schmerzfrei sein. Dieses Stadium darf nicht als Infektion fehlinterpretiert werden. Wird der Fuß in diesem Stadium entlastet, bildet sich diese „Knochenerweichung“ im Verlauf von 2 -3 Monaten deutlich und 6 – 12 Monaten vollständig zurück. Wird der Fuß allerdings normal belastet, schreitet der Knochenabbau bis zum kompletten Zusammenbruch voran. Bei einem Einbruch im Mittelfuß entsteht ein Plattfuß und später ein sog. Schaukel- oder Tintenlöscherfuß . Bei Befall des Sprunggelenks kann dessen normale Führung völlig aufgehoben sein, sodass die Patienten bisweilen auf dem Außen-oder Innenknöchel laufen.

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Abb.6

Die Fehlstellungen bewirken Druckstellen, die unter Belastung zunächst zu Blasen und schließlich zu offenen Stellen führen. Durch diese können Keime in das Gewebe eindringen und schwere Infektionen verursachen, die nicht nur den Fuß, sondern auch das Leben des Patienten gefährden können.

Diagnostik

Durch verschiedene Untersuchungen ist zu klären, ob bzw. wo eine Schwellung, Rötung, Fehlstellung, Wunde oder Zeichen der bakteriellen Infektion vorliegen. Die Röntgenuntersuchung ist immer bei Fehlstellungen erforderlich. Sie zeigt, welche Knochen in welchem Ausmaß befallen sind bzw. wo die Fehlstellung verursacht wird. Bisweilen ist eine Magnetresonanztomographie erforderlich, wenn eine Frühform zu klären oder ein Abszess zu lokalisieren ist. Besteht der Verdacht auf eine Durchblutungsstörung, werden ergänzende Untersuchungen der Gefäße durchgeführt.

Konservative Therapie

In der Frühphase, Ödemphase, ist lediglich eine komplette Entlastung von 3 Monaten einzuhalten. Dies erfolgt in der Regel in einer speziellen Zwei-Schalen-Orthese oder in einem Total Contact Cast. Bei einem geringen, stabilen Einbruch erfolgt die Anlage von speziellen Schuhen, die den weiteren Einbruch verhindern, etwa im Mittelfuß durch Anbringen einer steifen Sohle mit einer stützenden Einlage. Damit kann sich der Knochen wieder festigen und die Ausbildung einer Fehlstellung verhindert werden.

Abb.8 Versorgung im orthopädischen Maßschuh

Operative Therapie

Obwohl vielfach behauptet wird, dass schwere Fehlstellungen beim Charcotfuß nicht durch orthopädisch-chirurgische Verfahren gebessert werden können, bestehen inzwischen umfangreiche Erfahrungen mit derartigen Operationen, die helfen, eine Amputation zu verhindern.
Folgende Prinzipien müssen eingehalten werden:

Abb.9

Abb.9 Mittelfußversteifung

Abb.10

Abb.10 Rückfußverteifung

Unter Einhaltung der Voraussetzungen konnten zahlreiche schwere Charcotfüße korrigiert und stabilisiert werden. Die Amputation, die lange Zeit als einzige Behandlungsmöglichkeit angesehen worden ist, kann mit modernen Konzepten bei den meisten Patienten vermieden werden.